Die Wassergall - Ein Trauerspiel kommunaler Verwaltungsarbeit
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Die Mitglieder des Gemeinderates stehen Ihnen für Ihre Anfragen oder Angelegenheiten die die Ortsgemeinde betreffen gerne zur Verfügung. Kommen Sie zu uns, wenn Sie Fragen oder Probleme haben (Zitat des Bürgermeisters).
Nun zum Eigentlichen: Im Rahmen ihrer Arbeit war die Bürgerinitiative gezwungen auf eigene Faust zu ermitteln, da offensichtlich weder von der Stadt, noch von der Verbandsgemeinde dem Gericht vollständige Akten vorgelegt wurden. Gerade die Verbandsgemeinde filetierte Akten derart, dass die Aktenauszüge ein einseitig schiefes Bild vermittelten, welches das Gericht bisher zur Überzeugung führte, die Wassergall sei ein Wirtschaftsweg. Dabei ist allen Ortskundigen bewusst, dass die Wassergall zu keiner Zeit ein Feldweg war. Was die Herrsteiner Verwaltung in 2015 geritten hat, das kurze Teilstück unter fadenscheinigen Argumenten zu sperren, können wir nur vermuten. Seit Jahrzehnten war kein einziger Unfall zu verzeichnen.
Auffällig ist für Insider die mehrfach widersprüchliche Bewertung der „Wassergall“ durch die Gemeinde und die Verbandsgemeinde – sie wird einerseits als rein landwirtschaftlicher Weg, und gelegentlich sogar als Privatweg bezeichnet, wenn es um Stützung der zunächst rein privaten Sperrung durch die Anlieger geht, andererseits als „Öffentliche Straße“, wenn es um Bauvorhaben der Anlieger ging, also jeweils danach ausgerichtet, was den beiden anliegenden Betrieben im Einzelfall nutzt. Die Gegenüberstellung der sich ausschließenden Aussagen lässt dann auch rasch Zweifel am Wahrheitsgehalt der übrigen Herrsteiner Aussagen aufkommen.
Die Wassergall wurde nach 1965 zwar des öfteren als „Grüner-Plan-Weg“ betitelt, was eine landwirtschaftliche Nutzung vortäuschte. Die faktische Bedeutung und Nutzung der Straße spricht jedoch eine ganz andere Sprache. Dass auch die Verwaltung den Begriff „Grüner-Plan-Weg“ nur mehr als Worthülse ansah, zeigt beispielsweise eine Formulierung im Bebauungsplan „Auf Höstchesflur“. Dort wird erläuternd vom "sogenannten „Grüner-Plan-Weg“ (offiziell: Wassergall)" gesprochen.
Wer die Geduld mitbringt kann sich im Folgenden ein eigenes Bild anhand einer detailliert zusammengefassten Chronologie der Wassergall machen. Belastbare Quellenangaben befinden sich in Klammern, zahlreiche Erklärungen älterer Mitbürger liegen zusätzlich vor.
Die Wassergall ist seit dem 14. Jahrhundert Verbindungsstraße der Abtei zwischen Gedscheid, Underdefenbach, Gheerich und Richelshusen (z. B. Weisthümer von Gedscheid 1479, 1491 und 1560, Weisthum Baerwardtstein u. Kisslebach aus 1641, ...).
Anfang des 19. Jahrhundert wird die Wassergall von Napoleon als Straße kartiert und wenige Jahre später in der preußischen Erstvermessung erneut so eingeordnet (Karte von Oberst Tranchot 1803-1820, Blatt 220 und die Preußische Uraufnahme 1843-1878, Blatt 6210).
Parzellar Atlas aus 1847 , Maßstab 1:1250, zeigt die Wassergall in der heutigen Trasse. Alle Parzellen waren und sind in Gemeindeeigentum. Ein Flurstück in Flur IV heißt „An der Straße“ (Parzellar Atlas, Großherzog Amt Oberstein, Bürgermeisterei Fischbach, copirt von der Original Karte, im Jahr 1847, durch den Geometer Beiker).
1889 erfolgt die öffentliche Vergabe des Ausbaues des „Kommunikationsweges“ von Regulshausen nach Göttschied durch die Gemeinde Regulshausen. Kommunikationsweg ist die veraltete Bezeichnung für eine Verbindungsstraße zwischen Gemeinden. (Stadtarchiv, Abteilung 2a, V-B Nr. 593, Laufzeit 1888-1891).
Die erste zugängliche Landesvermessungskarte LK-25 aus 1914 enthält die Wassergall als Verkehrsstraße ( Historische Karte des Landesvermessungsamtes RLP).
Alle folgenden LK-25 enthalten die Wassergall als Straße oder Nebenstraße. Die heutige Wassergall-Siedlung ist erstmals 1967 kartiert. Sie nutzte zur Erschließung die vorhandene Straßenführung. (verschiedene historische LK-25 von 1914 bis 2000).
Der Bürgermeister des Amtes Herrstein beantragt 1961 öffentliche Mittel für den Ausbau der Wassergall, weil die wichtige Wegstrecke unverzichtbar ist und dem überörtlichen Verkehr, insbesondere der Verbindung vom Vollmersbachtal ins Fischbachtal, dient. Die von Bürgermeister Vesper genutzte Darstellung der damaligen Verkehrssituation hat sich bis heute kaum verändert. (Amt Herrstein, 30. Juni 1961, Az. 5/967-22).
Der damalige Beigeordnete des Amtes Herrstein, Herr Ludwig Adam, bestätigte uns 2016 die öffentliche Nutzung und Unterhaltung der Wassergall solange er denken kann, sicher von 1948 bis 1963 (Urkunde vom 14. Mai 2016).
Der als Satzung am 13. Juli 1964 beschlossene Bebauungsplan der Gemeinde Regulshausen „Auf Haderstichsborr“ erschließt das Baugebiet verkehrsseitig über die Straße Wassergall (Bebauungsplan Regulshausen aus 1964 ).
Der Eingemeindungsvertrag aus 1969 vereinbart mit der bis dahin eigenständigen Gemeinde Regulshausen die Anerkennung der Wassergall von Regulshausen nach Hintertiefenbach als Kreisstraße (Auseinandersetzungs- Vertrag der Stadt mit Regulshausen vom 4. Juni 1969).
1965 beginnend wurde die Wassergall von Schulbussen, später auch Kindergarten- und Linienbussen genutzt (Zeitzeugen, Bus-Linienplan der OIE/VIO).
1981 wurden zusätzliche Bushaltestellen beidseitig auf Höhe des Fichtenhofes eingerichtet (Grundbuchauszüge, Amtsgericht Idar-Oberstein, Zeitzeugen).
1981 ff. wurden alle Parzellen der Wassergall im Kataster und Grundbuch als Gemeindestraße mit der Nutzung „Allgemeiner Straßenverkehr“ hinterlegt (Grundbuchauszüge, Amtsgericht Idar-Oberstein).
Der Gemeinderat von Hintertiefenbach beschließt am 22. September 1987 die Freigabe des Wirtschaftsweges sowie eine Vereinbarung mit der Stadt zur Widmung der Wassergall mit dem Ziel den Unterhalt und alle Fragen für die Zukunft auszuschließen. Die Widmung wurde vom Rat beschlossen, vergessene Verwaltungsschritte können heute noch nachgeholt werden. (Gemeinderatsprotokoll 22.09.1987).
Der Stadtrat beschließt am 15. Dezember 1987 die Freigabe der Wassergall für den allgemeinen Straßenverkehr; seit etwa 1967 zeitweise nur Anliegerverkehr frei (Stadtratsprotokoll 601-15; 10/87/SR).
Der Oberbürgermeister unterschreibt die gegenseitige Vereinbarung mit Hintertiefenbach am 16. Dezember 1987 und gibt die Wassergall im März 1988 in einem öffentlichen Akt für den allgemeinen Verkehr frei (Nahe Zeitung 04.03.1988, Kopie der Vereinbarung liegt vor).
Aufgrund dieser "Verkehrsfreigabe" wird dem „Roggehof“ am 25. April 1988 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Reithalle, Appartements und Restaurant seitens der Kreisverwaltung erteilt (Kreisverwaltung Birkenfeld, Az. 60-0726/87).
Der als Satzung am 22.09.1993 beschlossene Bebauungsplan Idar-Obersteins „Auf Höstchesflur“ schließt das Wohngebiet im Nordosten verkehrsmäßig über den sogenannten „Grünen-Plan-Weg“ (offiziell: Wassergall) an. (gültiger Bebauungsplan, Idar-Oberstein, RE-7).
Auch der als Satzung am 06.10.1998 in Kraft getretene neue Bebauungsplan Idar-Obersteins „Auf Haderstichborr“, ist ausschließlich durch die „Wassergall“ erschlossen (gültiger Bebauungsplan, Idar-Oberstein RE-6).
Bei weiteren Bauanträgen wird die Lage des „Roggehofes“ an einer öffentlichen Straße durch den amtierenden Bürgermeister Hintertiefenbachs, Herrn Alexander Ebels bestätigt und gesiegelt. Die beantragten Baugenehmigungen wurden in Folge dessen von der Kreisverwaltung erteilt (Aktenauszüge vom 19.04.2005, vom 07.05.2006 und vom 17.09.2008 liegen vor).
Der Flächennutzungsplan der Stadt Idar-Oberstein enthält die Wassergall als überörtliche Hauptverkehrsstraße (Auszug aus dem aktuellen FNP Idar-Obersteins). Der Flächennutzungsplan wurde von der Kreisverwaltung geprüft und bestätigt.
Da Flächennutzungspläne an den Gemarkungsgrenzen. gemäß Baugesetzbuch zwangsläufig aufeinander abgestimmt werden müssen, enthält der digitalisierte Flächennutzungsplan der VGV Herrstein die Wassergall ebenfalls als örtliche Hauptverkehrsstraße (Digitaler FNP Herrstein, Teilplan 14, vom Februar 2010).
Dies sind nur die wichtigsten Ermittlungen zur Sache Wassergall. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die lange Geschichte. Die Wassergall war und ist aufgrund ihrer exponierten Lage immer eine Straße und nie ein Wirtschaftsweg gewesen. Nach 1963 ist sie letztlich auch nach heutigen Wertmaßstäben zur Straße geworden. Denn die Übergangsregelung des Landesstraßengesetzes, sagt aus:
„Alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße haben, sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Dies wird für Straßen, die seit dem 31. März 1948 dem öffentlichen Verkehr dienen, vermutet. Soweit sie nicht durch die Landesverordnung über die Einstufung von Landes- und Kreisstraßen vom 6. Dezember 1963 als Landes- oder Kreisstraßen eingestuft wurden, gelten sie, falls sie bisher von einer Gemeinde unterhalten worden sind, als Gemeindestraßen, im Übrigen als sonstige Straßen. Der bisherige Träger der Straßenbaulast hat die Straßen auch weiterhin zu unterhalten.“
So wie es heute aussieht, hatte das Amt Herrstein die landwirtschaftlichen Subventionsmittel seinerzeit gerne genommen. Danach wurden aber eigene Spielregeln im Umgang mit der Situation eingeführt. Wie sollte es auch anders gewesen sein, denn Bürgermeister Vesper hatte 1961, im zuvor zitierten Antrag in epischer Breite die Verkehrsbedeutung der Wassergall dargestellt. Wie hätte er die Straße kurz danach zum Feldweg abqualifizieren können? Die Verkehrssituation hatte sich aufgrund der zweifelhaften Förderung ja keinesfalls geändert. Auch die Anfang der 60er Jahren entstandene Wassergallsiedlung legte sich an die vorhandene Straßenführung an. Die Wassergall wurde weder für die Landwirtschaft gebaut, noch wurde sie überwiegend von ihr genutzt. Sie wurde ganz einfach nur als vorhandene Infrastruktur mitbenutzt. Dafür dann landwirtschaftliche Subventionen zu vereinnahmen war bereits seinerzeit ein gewagtes, offensichtlich aber geglücktes Husarenstück. Vielleicht hilft es der Vorstellungskraft zu wissen, dass einer der Anlieger Abgeordneter im Bundestag war und auch danach noch politische Fäden spannte.
Das einzige was die Verbandsgemeindeverwaltung Herrstein und die Gemeinde Hintertiefenbach heute dagegen zu setzen haben ist, dass man es 1987/88 versäumt habe, die Wassergall formal zu widmen. Alleine deshalb sei sie Feldweg. Die tatsächliche Situation hat man aus nachvollziehbaren Gründen versucht, nach Möglichkeit zu vernebeln.
Die chronologische Entwicklung der Wassergall haben wir vorstehend aufgezeigt. Sie war schon immer eine Straße, auch zur Zeit der Einführung des heutigen Landesstraßengesetzes war sie eine Straße. Einer ausdrücklichen Widmung hat es daher nie bedurft. Dies zeigt auch die bereits 1964 beginnende Bauleitplanung "Haderstichsborr". Über die streitige Straße, die seit 2015 angeblich keine mehr ist, wurden von beiden Verwaltungen Baugebiete rechtsverbindlich erschlossen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen ...
Unabhängig davon ist das seinerzeitige Verständnis der kommunal Verantwortlichen um die Verkehrsbedeutung der Wassergall deutlichst der Vereinbarung aus 1987 zu entnehmen. Die Verkehrsfreigabe, sowie der Inhalt der Vereinbarung, inclusive. der Widmung wurde von beiden Räten (Stadt und Gemeinde) gleichermaßen beschlossen. Auch wenn der abschließende Schritt zur formalen Umsetzung der Widmung bisher noch nicht gefunden werden konnte, wie zuvor beschrieben auch gar nicht erforderlich war, darf ein solch vertragswidriges Verhalten, bestenfalls schludriges Arbeiten der Verwaltungen, heute nicht als Argumentationshilfe zum Nachteil der betroffenen Bürger genutzt werden, die im Einklang mit den Aussagen der Liegenschaftsbehörde der Stadt, sowie der gültigen Bebauungs- und Flächennutzungspläne, eben gerade über die Wassergall nach Richtung Rhein-Main erschlossenen Grundstücke erworben und bebaut haben. Auf die Verbindlichkeit der vorgelegten Bauleitpläne durften alle vertrauen.
Die Feststellungsklage um die „Rechtsnatur der Wassergall“ geht nun in erster Instanz der Entscheidung entgegen. Alle vorgenannten Fakten liegen dem Gericht vor.